Sonntag, 8. November 2009
Doorstep-school Pune
Da es in Indien keine Schulpflicht gibt, können Eltern frei darüber entscheiden, ob ihr Kind eine schulische Grundausbildung erhält oder nicht. Leider ist es je nach familiärem und sozialem Hintergrund nicht selten der Fall, dass Kinder daher nie eine Schule besuchen, sondern sich stattdessen auf der Straße rumtreiben, arbeiten oder betteln.

In Mumbai und Pune hat das Projekt doorstep-school es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Kindern eine elementare Bildung zu ermöglichen und sie gleichzeitig vor einer Kindheit auf der Straße zu bewahren. In Pune gibt es über 50 Einrichtungen der doorstep-school, von denen ich in der vergangenen Woche einige besuchen konnte.
Dabei handelt es sich beispielsweise um einen Bus, der zum mobilen Klassenzimmer umfunktioniert wurde und jeden Morgen die Kinder eines Bezirkes einsammelt, über Tag als Unterrichtsort dient und sie am Nachmittag wieder zu Hause absetzt. Auf wenigen Quadratmetern tummeln sich dort also bis zu 30 Kinder zwischen etwa zwei bis zwölf Jahren, die grob in eine Art Kindergarten- und Grundschulgruppe eingeteilt sind und entsprechend Lesen und Schreiben lernen.



Ein Schwerpunkt der doorstep-school liegt in der Unterstützung von Bauarbeiterkindern. In Indien wird gebaut, wo man nur hinschaut, natürlich keine einfachen Einfamilienhäuser, sondern riesige Wohnanlagen zumeist am Rande der Stadt, und die Bauphasen ziehen sich teilweise über Jahre hin.



Die Bauarbeiter wohnen während dieser Zeit mit ihren Familien direkt neben der Baustelle in Slums aus Wellblechhütten. Der Unterricht der doorstep-school findet daher ebenfalls direkt neben der Baustelle statt, ebenfalls in einer Wellblechhütte, ebenfalls im Slum, ohne Strom, ohne fließend Wasser, Pausenhof ist die Baustelle, wo alle mit Schutzhelmen rumlaufen, außer den Kindern.





Ein Unterrichtsraum war statt im Slum im Erdgeschoss einer Baustelle untergebracht, was den Vorteil hatte, dass der Raum sich bis mittags nicht auf 50 Grad aufheizte, sondern angenehm kühl blieb. Irgendwo über unseren Köpfen wurde also grad an der nächsten Etage gebaut, während wir Papierflugzeuge und Schiffchen gebastelt haben.







Gegessen wird übrigens ganz selbstverständlich auf dem Fußboden des Unterrichtsraumes, Tische oder Stühle gibt es nirgends, auch nicht, wenn die doorstep-school wie hier ausnahmsweise in einem Raum innerhalb einer richtigen Schule untergebracht ist.



Nach dem Essen wird Mittagsschlaf gehalten, dann haben die Lehrerinnen ihre wohlverdiente Pause, liebstes Gesprächsthema: heiraten, natürlich, und Kinder, was ja nahe liegt.
Die Lehrer der doorstep-school leisten eine wirklich beeindruckende Arbeit und holen aus den wenigen Mitteln und Materialien, die ihnen zur Verfügung stehen, eine Menge raus. Alle Kinder werden gleich behandelt und berücksichtigt, und daher können auch alle Kinder mehr, als man auf den ersten Blick vermuten und unter den Lernumständen für möglich halten mag. Und man sieht, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Kinder gern zur Schule gehen, gern lernen und daher hoffentlich von der doorstep-school so weit wie möglich profitieren.

Prernali jedenfalls ist mit ihren vier Jahren mit voller Begeisterung dabei, kann zwar noch nicht das Alphabet, dafür aber alle Lieder und Gedichte auswendig, verbessert jeden, der sich beim Vortragen vertut oder nicht weiter weiß, und ist sowieso immer ganz vorne dabei, egal worum es geht.



Die Woche habe ich übrigens nicht allein verbracht, sondern zusammen mit meiner niederländischen Kollegin Eline und mit Maha, die zufällig auch in dieser Woche bei der doorstep-school hospitiert hat.
Maha treffen wir zum Glück schon bald wieder, dann wird sie uns Mumbai zeigen, wo sie studiert. Und die Kinder von der doorstep-school besuchen wir auch nochmal, im Dezember, vielleicht basteln wir dann für Weihnachten.

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