Sonntag, 20. Dezember 2009
Von Gangtok bis Kalkutta
Von Darjeeling aus geht es am Mittwoch für mich nach Sikkim, den nördlichsten Teil Westbengalens, der sich mit lediglich 80 km Breite und etwa 120 km Länge zwischen Nepal, Tibet und Bhutan behauptet.
Morgens um halb acht werden Ellise, die nach fünf Wochen Indien nun wieder nach Australien zurückkehrt, und ich von dem Ehepaar, das das Resort betreibt und sich in den letzten Tagen von vorn bis hinten um alles gekümmert hat, was uns auf dem Herzen hätte liegen können, sehr herzlich verabschiedet. Wir sollen beide gut auf uns aufpassen und damit uns auch wirklich nichts passiert, bekommen wir beide einen Schal aus tibetischer Seide, der uns auf unserer weiteren Reise beschützen soll. Hmm, jetzt würden wir gerne wieder auspacken und noch ein paar Tage länger bleiben, aber der Jeep wartet schon. Eine Viertelstunde später setzt Ellise mich mit einem dicken Drücker an Darjeelings Jeepstation ab und dort dauert es nicht lange, bis ich mit ein paar anderen Sikkim-Reisenden in Richtung Norden unterwegs bin. Zwischenzeitlich sind wir auch mal zu zehnt im Jeep (plus Fahrer), daher bin ich froh, ganz vorn zu sitzen, wo definitiv nur für zwei Fahrgäste Platz ist, während in den beiden hinteren Reihen ordentlich gekuschelt werden muss. Dafür kostet der ganze Spaß auch nur zwei Euro.





Vier Stunden lang sind wir unterwegs, auch an der Grenze zu Sikkim können wir nach Prüfung aller Papiere gleich weiter und erreichen gegen Mittag Sikkims Hauptstadt Gangtok. Ähnlich Darjeeling ist Gangtok weniger aufregend als erholsam. Was allerdings aufregend gewesen wäre: Von Gangtok aus kann man mit dem Hubschrauber in nur 30 Minuten zum Flughafen von Bagdogra fliegen, was ich gern gemacht hätte, leider war der Flug, der für mich in Frage kam, schon ausgebucht. Also wurde es ein rein erholsamer Aufenthalt, mit einem Besuch im Tibet-Institut,



des Do-Drul Chorten, einem tibetischen Kloster mit strahlend weißer Pagode im Zentrum,



des Enchey Klosters, mit etwa 150 m Gebetsmühlen



und Gebetsflaggen in Wald und Wind.



Am Freitagmorgen habe ich kaum die Hauptstraße in Richtung Jeepstation erreicht, da hält bereits ein halb voll besetzter Jeep mit Siliguri-Schild in der Windschutzscheibe neben mir. Diesmal sitze ich in der zweiten Reihe und da wir noch ein paar weitere Reisende aufsammeln, komme ich diesmal nicht um das Kuscheln herum. Wieder vier Stunden Fahrt, dann erreichen wir Siliguri, von wo aus es noch etwa zehn Kilometer bis Bagdora Flughafen sind.
In Siliguri treffe ich zufällig auf Ben, der auch zum Flughafen muss. Ben ist gerade ein paar Wochen durch Indien gereist und nun wie ich auf dem Weg nach Kalkutta. Als Fluglotse hat er übrigens wegen zu viel Geld für unverschämt wenig Arbeitstage in den letzten Jahren schon die halbe Welt bereist, was mich dazu bewegt, meine berufliche Zukunft nochmals zu überdenken. Unbezahlbar ist dann allerdings das Panorama, das sich uns beim Abflug von Bagdogra bietet: Über den Wolken können wir die Gipfelkette des Himalaya bestaunen und Ben kann mir sogar sagen, welcher der Mount Everest ist, da ich sonst nur hätte raten können, dass er irgendwo links vom Kangchendzonga sein muss. Der Anblick ist wirklich majestätisch, was mir aber auch in den Sinn kommt: Schneekoppe, mit passender Melodie. Eine ganze Weile klebe ich noch am Fenster, irgendwann machen wir dann eine Linkskurve und weg sind die Berge.
Eine Stunde später kommen wir in Kalkutta an, bis wir es allerdings durch den Verkehr in die Innenstadt geschafft haben, dauert es nochmal gut zwei Stunden. Abends verabreden wir uns noch zum Essen, danach ist bald Schlafenszeit, heute geht nichts mehr, Kalkutta hin oder her. Am nächsten Morgen machen wir uns auf zum Victoria Memorial, das tatsächlich aussieht wie eine Mischung aus Taj Mahal und Washingtoner Kapitol.



Das Museum innerhalb sehen wir uns nicht an, heute ziehen wir lieber los und laufen in irgendeine Richtung, denn das scheint uns deutlich interessanter. Auf Kalkuttas Straßen ist geschäftiges Treiben angesagt, dagegen war Mumbai nahezu unbewohnt, alles ist voller gelber Taxis und Menschen, die kaufen, verkaufen, unterwegs sind, sich waschen, essen, trinken, rauchen, betteln, im Grunde spielt sich der gesamte Alltag auf dem Bürgersteig ab. Das erste Mal in Indien gehe ich in eine christliche Kirche, die genauso aussieht, wie man das erwartet, nur dass von der Decke lauter Ventilatoren hängen (Bilder sind leider nicht gestattet, dafür müssten wir eine Erlaubnis vom Father bekommen, der ist aber gerade busy). Später am Tag versuchen wir es daher bei Kalkuttas Mother, d.h. Mutter Teresa. Hierhin lassen wir uns von einer der Tana-Rickshaws bringen, was Mutter Teresa sicher nicht gewollt hätte, aber wir tun's trotzdem. Kalkutta ist die einzige Stadt in Indien, in der Tana-Rickshaws, also von Menschen gezogene Zweisitzer auf hohen Wagenrädern, noch erlaubt sind. So lassen wir uns also von einem älteren Inder, dem ich den Kraftakt eigentlich kaum zutraue, in etwa 15 Minuten bis zum Mother House bringen. Als wir dort ankommen, geben wir ihm ein extra großes Trinkgeld, da wir nun doch ein schlechtes Gewissen haben, da der Weg weiter war, als gedacht. Er ist aber alles andere als geschafft und zeigt Ben noch, dass das Ziehen eigentlich nicht schwierig ist, wenn man den Wagen erstmal in die richtige Position gebracht hat. Ok, dann ist's ja gut. Im Mother House kann man nicht nur den spärlich eingerichteten Schlafraum sehen, den Mutter Teresa fast 50 Jahre lang bewohnt hat, sondern auch ihre letzte Ruhestätte und natürlich eine kleine Ausstellung über ihr beeindruckendes Leben und Wirken. Anschließend schlendern wir noch eine Zeit lang durch die mittlerweile dunklen, aber immer noch belebten Straßen und verabschieden uns irgendwann, denn Ben plant für seine letzten Tage in Indien eine Tour durch den nächstgelegenen Nationalpark, während ich mir für den nächsten Tag das Indian Museum vorgenommen habe, denn da ich schon ziemlich am Schniefen und Schnupfen bin, schaffe ich keine Stadttour mehr, bevor es nachmittags wieder Richtung Pune gehen wird.
Das Indian Museum ist Indiens größtes und ältestes Museum und vor allem letzteres wird auch mehr als deutlich, denn bei einigen Ausstellungsbereichen hat man den Eindruck, dass seit der Eröffnung 1814 kaum etwas verändert wurde. Den Vormittag über schaue ich mir also u.a. ausgestopfte Tiere an, die langsam und ungehindert aus der Form gehen, sowie geologische und archäologische Fundstücke, sofern sie denn unter den Staubschichten zu erkennen sind. Nachdem ich in aller Ruhe dieses selbst museumsreife Museum besichtigt und bestaunt habe, mache ich mich auf den Weg zum Flughafen. Die Woche Urlaub war spannend, aber auch anstrengend, wie ich jetzt merke, und jetzt freue ich mich auf mein eigenes Bett und eine heiße Tasse original Darjeeling-Tee.

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